Meine sehr geehrten Damen und Herren,
verehrte Ehrengäste,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
Deutschland nach der Wahl: Die Reise geht also nach Jamaika.
Und wir alle reisen mit, ob wir wollen oder nicht.
Auf alle Fälle rate ich dazu, die Anschnallgurte geschlossen zu halten und festzuzurren. Denn bis zur Landung in schwarz-gelb-grünen Gefilden wird es wohl noch ein Weilchen dauern – und die Wettervorhersagen lassen zu wünschen übrig.
Wir müssen den Realitäten ins Auge sehen: Am 24. September 2017 haben sich die politischen Gewichte in Deutschland deutlich verschoben. Ein „Weiter so!“ ist nun nicht mehr möglich.
Die latente Drohung des IS-Terrors, die aus der Flüchtlingskrise resultierenden Probleme und nicht zuletzt die zunehmenden Zukunftsängste haben zu weitreichender Verunsicherung geführt, die an der Wahlurne spürbar geworden ist.
Da hat es auch nicht geholfen, dass viele dieser Ängste völlig unbegründet sind. Denn es geht uns in Deutschland so gut wie nie zuvor.
Unsere Wirtschaft boomt. Die Binnennachfrage eilt von Rekord zu Rekord und die Exportüberschüsse ebenso. Selbst die Dieselkrise konnte sie nicht stoppen. Allerdings mache ich mir angesichts der aktuellen Situation Sorgen, ob es uns gelingen wird, dies so zu halten. Denn Abschottung, Fortschrittsverweigerung und nationaler Egoismus, wie sie mit diesem Wahlergebnis leider auch zum Ausdruck gekommen sind, haben der Wirtschaft noch nie genutzt.
Gleiches gilt für ein Machtvakuum an der Spitze des Staates. Wenn Jamaika nun offensichtlich der einzig gangbare Weg ist, dann sollte er schnell und mutig eingeschlagen werden. Denn die Themen, die dringend angepackt werden müssen, sind wichtig und zahlreich. Statt auf Prestigeprojekte der einzelnen beteiligten Parteien kommt es jetzt darauf an, dass die Wirtschaft insgesamt und insbesondere wir – der Mittelstand, das Handwerk – unsere Kräfte voll entfalten können. Es geht um Wachstum und Erhalt bestehender und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Bürger, Unternehmerinnen und Unternehmer, Betriebe und Beschäftigte erwarten eine Politik, die Sicherheit gibt.
Der zunehmenden gesellschaftlichen Zerrissenheit muss beseitigt, Zusammenhalt gefördert werden. Auf Verlässlichkeit kommt es an. Und auf die Stärkung unserer mittelständischen Betriebe, unserer „familiären“ Unternehmen, die sich im immer raueren Wettbewerb täglich neu zu bewähren oder sogar neu zu erfinden haben. Wir erwarten deshalb von der neuen Bundesregierung, dass sie
Sie hat dafür zu sorgen, dass Steuerrecht, Sozialrecht, Arbeitsrecht und Energierecht sowie eine flächendeckende, gute Infrastruktur unsere Betriebe wettbewerbsfähig erhält und ihnen Zukunftschancen eröffnet.
Mit der Infrastruktur meine ich dabei nicht nur gute Verkehrswege, sondern mindestens genau so sehr die digitale Infrastruktur. Derzeit dümpeln wir auf diesem Feld in Deutschland noch auf dem Niveau eines Entwicklungslandes herum. Das muss sich schleunigst ändern. Die Wirtschaft – und auch wir im R+S-Handwerk – können auf flächendeckendes schnelles Internet nicht verzichten. Denn die Digitalisierung ist dabei, unsere Branche zu erobern. Automatisierter Sonnenschutz ist quasi Standard, die Lösungen hierfür werden immer ausgefeilter und komplexer. Da müssen wir mithalten können.
Ich sehe in dem Thema Hausautomation großartige Chancen für unser Gewerk. Deshalb ist der Bundesverband Rollladen + Sonnenschutz auch vor einigen Monaten der Wirtschaftsinitiative Smart Living beigetreten, die sich intensiv mit diesem Geschäftsfeld beschäftigt und es voranbringen möchte.
Der Digitalisierung in den Fachbetrieben den Weg zu bereiten, ist also Gebot der Stunde und auch wichtige Aufgabe für unseren Verband. Denn unsere Fachbetriebe können mit den Möglichkeiten, die die Digitalisierung und damit „Smart Home“ bieten, das Leben zuhause noch angenehmer machen, indem sie z.B.
Doch um alle diese neuen, durchaus auch komplexen Möglichkeiten wirklich umfassend nutzen und die steigende Nachfrage unserer Kunden befriedigend zu können, brauchen wir auch in Zukunft qualifizierte Fachkräfte in ausreichender Zahl. Und die wachsen in Zeiten, in denen überall vom Fachkräftemangel gesprochen wird, nun einmal nicht auf Bäumen.
Wir als Innungen und Verbände wie auch alle Betriebe selbst müssen nach Kräften dafür sorgen, dass uns die Nachwuchstalente nicht verloren gehen. Wir müssen deutlich machen, dass eine Tätigkeit im Rollladen- und Sonnenschutztechniker-Handwerk spannend und abwechslungsreich ist und alle Möglichkeiten des ökonomischen Aufstiegs bietet. Wir müssen uns mit ganzer Kraft gegen den Akademisierungswahn stemmen. Es ist ein Irrglaube, dass man nur mit einem Universitätsstudium glücklich werden kann. Berufliche und Akademische Ausbildung sind absolut gleichwertig. Das muss offen zum Ausdruck gebracht werden – auch durch eine gleichwertige Förderung.
Ich freue mich, dass dies ganz offensichtlich mittlerweile auch in der Politik gesehen und das hohe Lied der Handwerkwerklichen Qualifikation nicht mehr nur in Sonntagsreden gesungen wird.
So begrüßen wir es ausdrücklich, dass die Große Koalition im Saarland vereinbart hat, künftig auch in ihrem Bundesland einen Meisterbonus als Prämie für eine erfolgreich abgeschlossene Meisterausbildung einzuführen. Und auch in einem weiteren Thema, das uns als Rollladen- und Sonnenschutztechniker-Handwerk ganz besonders am Herzen liegt, erfahren wir plötzlich wieder mehr Unterstützung aus der Politik: Man scheint zunehmend einzusehen, dass es ein krasser Fehler war, 2004 für viele Gewerke den Meistervorbehalt zu streichen. Man hat vielmehr erkannt, dass der Meisterbrief Voraussetzung für nachhaltiges Unternehmertum, sichere Beschäftigung, gute Ausbildung und hohe Qualität von Produkten und Dienstleistungen ist.
Die politische Diskussion, die Beschlüsse von 2004 zu revidieren, an die lange niemand so recht heran wollte, ist also voll entbrannt. Diese Chance müssen und werden wir nutzen. Ich sage aber auch: Alleingänge führend dabei nicht weiter.
Ich halte nichts davon, jetzt einzelne Berufe gegeneinander auszuspielen. Die richtige Strategie ist es, nun Seite an Seite mit dem ZDH und allen betroffenen Verbänden für den Wiederaufstieg in die Meisterklasse zu kämpfen.Und genau das werden wir mit aller Kraft tun!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den vergangenen Jahren haben wir viel Energie aufgewendet, um auf der politischen Bühne unser Gewerk mit seinen Anliegen bekannt zu machen, Kontakte zu knüpfen und ein verlässliches Netzwerk aufzubauen.
Jetzt, nach der Bundestagswahl werden aber wieder alle Karten neu gemischt, und die allermeisten Personalfragen sind noch völlig offen.
Bei der Frage, wer nächster Bundesbauminister wird, ist zwischen Andreas Scheuer von der CSU und Anton Hofreiter von den Grünen derzeit noch alles möglich. Aber immerhin sind uns zahlreiche wichtige Gesprächspartner erhalten geblieben.
Die Bauexperten Karl Holmeier und Volkmar Vogel beispielsweise, mit denen wir in sehr intensiven und konstruktiven Dialog stehen, haben ihre jeweiligen Wahlkreise wieder mit Bravour gewonnen. Sie stehen uns also auch künftig als Gesprächspartner zur Verfügung. Und Themen gibt es wirklich zu genüge. Neben Meisterpflicht und Energetischer Sanierung wird uns künftig ein Problem massiv beschäftigen, das für zahlreiche Handwerksbetriebe zur Existenzfrage werden kann: Wir müssen uns Seite an Seite mit großen Bereichen der Wirtschaft und betroffenen Bürgern gegen die drohenden Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in innerstädtischen Bereichen wehren. Das heißt nicht, dass wir stur beim Status Quo verharren wollen. Natürlich beobachten wir genau, welche neuen Möglichkeiten der technische Fortschritt bringt. Elektrofahrzeuge können perspektivisch durchaus eine interessante Alternative für unsere Betriebe darstellen.
Zwei Innungen – Düsseldorf und Köln – haben sich dieses Themas bereits angenommen und auch wir als Bundesverband werden uns damit beschäftigen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute fahren die allermeisten von uns eben noch Diesel. Und wir sind nicht bereit, auszubaden, was die Autobauer verbockt haben!
Fahrverbote sind für Handwerksbetriebe existenzgefährdend und deshalb völlig inakzeptabel. Unsre Kunden brauchen uns und wir brauchen unsere Kunden! In der Stadt wie auf dem Land.
Die Autohersteller sind nun gefragt. Sie müssen sich etwas einfallen lassen. Und dass sie einfallsreich sind, haben sie ja in der Dieselaffäre durchaus unter Beweis gestellt!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Meine Damen und Herren, wir fordern nicht nur, wir haben auch viel zu bieten! Das Rollladen- und Sonnenschutztechniker-Handwerk trägt beispielsweise massiv zur positiven Konjunkturentwicklung in Deutschland bei. Und wir bilden erfolgreich aus – können derzeit sogar steigende Auszubildendenzahlen vermelden.
Unsere Betriebe sind in der Regel zu über 100 Prozent ausgelastet. Sie arbeiten über der Kapazitätsgrenze. Die Auftragsreichweite liegt somit bei 6,6 Wochen.
Auch das Statistische Bundesamt vermeldet für unser Gewerk erfreuliche Zahlen: Nämlich für 2016 ein Umsatzwachstum von 4 Prozent auf über 2 Milliarden Euro. Und auch für dieses Jahr ist wieder mit ähnlichen Steigerungsraten zu rechnen. Dieser Optimismus kommt nicht von ungefähr: Bauherren, Modernisierer und Eigenheimbesitzer investieren unbeeindruckt von allen tatsächlichen und gefühlten Krisen weiterhin in die Ausrüstung mit hochwertigem Sonnenschutz aller Art. Sie erhöhen die Sicherheit, verbessern die Energiebilanz, rüsten altersgerecht auf, automatisieren und sorgen schlicht für mehr Komfort. Und für alles das haben wir jeweils optimale Lösungsvorschläge zu unterbreiten.
Die drängende Frage, die sich unseren Betrieben derzeit stellt, lautet somit nicht: „Wie komme ich an neue Kunden?“, sondern vielmehr: „Wie finde ich genügend qualifizierte Mitarbeiter, die mir helfen, diese enorme Nachfrage auch tatsächlich zu befriedigen?“ Der drohende Fachkräftemangel ist also eine große Herausforderung für unser Gewerk, der wir uns mit aller Entschlossenheit stellen müssen. Derzeit scheinen wir dabei auf dem richtigen Weg zu sein. Verband, Innungen und Betriebe haben ihre Hausaufgaben gemacht: Die Zahl unserer Auszubildenden ist zuletzt um fast 10 Prozent auf 501 angehende Rollladen- und Sonnenschutzmechatroniker gestiegen. Erstmals seit 2011 ist somit wieder die 500er-Marke geknackt worden.
Bemerkenswert ist dabei, dass über die Hälfte der neuen Lehrlinge entweder das Abitur in der Tasche haben oder einen Realschulabschluss; ein Trend, der sich von Jahr zu Jahr verstärkt.
Mit besonderem Stolz darf ich auch darauf verweisen, dass wir zu den Gewerken gehören, die dabei sind, sich das Potential der jungen anerkannten Flüchtlinge zu erschließen; sie zu Fachkräften zu formen. Gerne berichte ich Ihnen von meinen eigenen Auszubildenden Romeo aus Kamerun. Es hat zwar jede Menge Überwindung bürokratischer Hemmnisse bedurft, als ich ihn Mitte 2016 eingestellt habe. Aber es hat sich gelohnt!
Heute ist der 27jährige Romeo im zweiten Lehrjahr und aus meinem Team nicht mehr wegzudenken. Er ist universell einsetzbar. Fleiß, Freundlichkeit und entsprechende Beliebtheit bei den Kunden zeichnen ihn aus. Romeo aus Kamerun ist einfach ein Gewinn für unser Handwerk!
Ich weiß, dass es unserem Kollegen Peter Sasse aus der Innung Südbayern mit dem 19jährigen Siraj aus Eritrea genau so geht. Nicht nur, weil Deutsch für ihn 6. Fremdsprache war und weil er technische Kenntnisse aufsaugt wie ein Schwamm; sondern auch wegen seiner ausgesprochenen Freundlichkeit und seinem kaum zu überbietendem Fleiß.
Inzwischen sind bundesweit Zehntausende von jungen Flüchtlingen über Sprachkurse und vielfältige andere Fördermaßnahmen ausbildungsreif. Viele davon sind technisch und insbesondere auch handwerklich begabt. Nutzen wir dieses Fachkräfte-Reservoir!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren, ich habe ganz bewusst diese Beispiele für eine gelungene Integration von Flüchtlingen an den Abschluss meiner Rede gestellt. Denn ich möchte Mut machen. Mut, sich nicht anstecken zu lassen von Zukunftsangst, Engstirnigkeit und Egoismus. Mut, stattdessen mit Neugierde den zweifellos gravierenden Veränderungen in unserer Gesellschaft zu begegnen. Mut, die Chancen, die uns Digitalisierung und Globalisierung bieten, anzupacken und zu nutzen. Ohne natürlich die damit einhergehenden Gefahren zu ignorieren.
Wir als mittelständische Unternehmer sind es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen, Neues auszuprobieren, auch mal Risiken einzugehen. Das sind Tugenden, die in schwierigen Zeiten dringend gebraucht werden. Bringen wir sie also zum Einsatz.
Wir im Bundesverband Rollladen + Sonnenschutz versuchen, uns daran zu orientieren. Wir haben uns neu aufgestellt, um den Herausforderungen der Zukunft begegnen zu können.
Wir haben unser Technisches Kompetenzzentrum vor allem personell in die Lage versetzt, qualifizierte Fachberatung prompt und umfassend zu leisten und die Interessen unseres Gewerks kompetent zu vertreten.
Wir haben unseren Anspruch, unüberhörbares Sprachrohr der RS-Branche in ihrer ganzen Breite und Vielfalt zu sein, vielfach unter Beweis gestellt.
Und wir haben vor allem zur Einigkeit zurückgefunden.
Wir sind eine starke Gemeinschaft aus Bundesverband, 16 Innungen mit ihren fast 700 Fachbetrieben sowie 120 Fördermitgliedern aus der Industrie, die gemeinsam viel bewegen kann.
Ich rufe Ihnen daher zu: Bleiben wir neugierig, bleiben wir mutig, bleiben wir optimistisch! Dann ist mir vor der Zukunft nicht bange.
Ich danke Ihnen!